Bücher von Volker Braun

Volker Braun

Volker Braun, Foto: Andre Kowalski
Foto: Andre Kowalski / freelens
"Man darf sich nicht beeindrucken lassen von festgelegten Verhaltensweisen."
Volker Braun ist ein zeitgenössischer Lyriker und Dramatiker.
Er wurde am 7. Mai 1939 in Dresden geboren. Sein Elternhaus befand sich auf der Hutbergstraße 32 (streng genommen auf Bühlauer Flur). Der Vater fiel in den letzten Kriegstagen, so dass die Mutter ihre fünf Söhne alleine aufziehen musste.
Im Alter von 6 Jahren wurde er von Rochwitz aus Zeuge der Zerstörung Dresdens. Dieses Erlebnis verarbeitete er später in dem Gedicht "Mein Haus ist schwarz und leer".
Nach dem Abitur erhielt er zunächst keinen Studienplatz und war u.a. Druckereiarbeiter, Tiefbauarbeiter und Maschinist im Braunkohlebergbau. Von 1960 bis 1964 studierte Braun in Leipzig Philosophie. Nach Ende des Studiums zog er nach Berlin. Seit 1965 veröffentlichte er zahlreiche Gedichtbände, Theaterstücke und Prosatexte. 1965 holte ihn Helene Weigel ans Berliner Ensemble, wo Braun sein erstes Stück "Die Kipper" inszeniert, das zunächst verboten und erst 1972 uraufgeführt wurde. 1972 bis 1979 war er am Deutschen Theater tätig. Zwischen 1979 und 1990 kehrte er immer wieder an das Berliner Ensemble zurück.
1976 gehörte er zu den Mitunterzeichnern der Petition gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns. 1982 verließ Braun den Schriftstellerverband der DDR.
Während der "Wende" gehörte er zu den Befürwortern eines eigenständigen "dritten Weges" für die DDR. Nach der Wiedervereinigung beschäftigte er sich kritisch mit den Gründen für das Scheitern der DDR.
1993 war er Gast der Villa Massimo in Rom und ein Jahr später der University of Wales. Er hielt Poetikvorlesungen an den Universitäten Heidelberg, Zürich und Kassel.
Volker Braun ist Mitglied der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg, der Sächsischen Akademie der Künste, der Deutschen Akademie der darstellenden Künste Frankfurt/Main und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung Darmstadt.
Brauns Elternhaus Hutbergstraße 32
Brauns Elternhaus in der Hutbergstraße 32


Anlässlich seiner Auszeichnung mit dem Dresdner Kunstpreis hielt Volker Braun eine Rede, in der er sich an die Kindheit in Rochwitz erinnert:

Unweigerlich, wenn ich von der Heimat rede, muss ich gestehen, dass ich sie verlassen habe. So gern ich immer hierher komme – ich bin einmal fortgegangen. Ich habe den Schritt hinaus getan. Freilich ist Dresden mein Grund geblieben, der heimliche Grund meines Denkens und Fühlens. Das habe ich oft ganz unzulänglich begründet, wie man das Einfachste, Greifbarste nicht zu sagen weiß. Die großen Himmel auf der Rochwitzer Höhe, die blühenden Felder. Die Flak hinter dem Gartenzaun, der Luftschutzkeller. Die ausgeglühte Ziegelsteppe. Die Mauern Schnees, durch die wir in die Schule stapften ... Halt. So fing es an. Ich will es erklären. Erlauben Sie mir, an einen frühen Punkt zurückzukehren.
Ich war sechs oder sieben und ging in die 1. Klasse, als ich eines Tags ins Weite aufbrach. Ohne Bescheid zu sagen, ohne um Erlaubnis zu fragen, dafür war keine Zeit, ging ich einfach los. Ein Mädchen zog ich ins Geheimnis, mit dem ich wohl Hand in Hand um die Schule lief, nun zog ich es mit, was das Unternehmen ungemein ernst und feierlich machte. Wir liefen die Dorfstraße hinauf beim Fleischer Haubold und beim Kohlenhändler vorbei, wo bald die Häuser aufhörten und der Rochwitzer Busch begann. Diesen großen hellen Wald liebte ich fast wie die hellen Felder, und andächtig schritten wir die Krügerstraße entlang. Rechts der Tännicht und Kamerun, wo die Brüder Klavierstunden hatten, links die Buchenschluchten, worin die Russen steckten. Ich wusste, dass ich etwas Verbotenes tat, und das schärfte und süßte die Sinne. Was hatte ich vor? Die Großmutter besuchen, würde ich lügen, die in Oberloschwitz unten hinter der Kurve wohnte. Oder weiter zur Brüstung des Hangs hinab, von wo man ins dunstige Tal sieht. Auf die schimmernde Stadt. Es war ein Wagnis, den weiten Weg allein zu gehn, mit der Begleiterin, die ich an der Hand hielt. Das war frevelhaft, ungehörig, aber wunderbar, aber erhebend! Was führte mich an, Übermut, Eigensinn; ein Zutraun wie an der Mutterbrust. – Welcher Impuls es immer war, es war die beste, eigne Kraft. Ich war es, der die Schritte setzte und die Sohlen spürte. Hier begann meine Laufbahn. Vaterlos, brüderreich, kriegserfahren, leidgewohnt. Ich sehe mich in die Welt gehn, und das Unerlaubte, Abenteuerliche ist gleich im Spiel, ein AufeigneFaust, ein Drübernaus. Ich weiß nicht, wie der Ausflug endete – mit Schelte gewiss, ich habe der Mutter Sorgen gemacht (sie hatte nach mehr Jungen zu sehen), und habe nichts zur Rechtfertigung vorzubringen. Die Sache wäre auch vergessen, wenn nicht das Gefühl des Glücks gewesen wär, das Selbstgefühl, diese rohe Lust, der Preis für mein Verbrechen. An diesen Jungen denke ich jetzt, wenn ich Dresden danke.
Im selben Jahr, ’45, ’46 vielleicht, fand im Gasthof Kamerun eine Versammlung statt, in der mit der Nazizeit abgerechnet wurde. Ich erinnere mich, dass von furchtbaren Riesen die Rede war, deren Tritt die Erde erzittern machte und die Welt verdunkelte. Es war mir unangenehm, so bildhaft überrumpelt zu werden. Die Empfindung des Unangemessenen, Unfairen, ein Schwulst, der mir nichts erklärte. Das Geschehen wie in eine Mythenwelt gerückt, worin Monster regieren. Das war eine frühe Erfahrung der Wirkung von Worten, die verführen können oder erkennen lassen. Ich hole das herauf, weil ein Opfermythos auflebt, der sich an Dresdens Untergang festmacht und dem rechten Treiben als Fähnlein dient. Dem haben sich die Dresdner entgegengestellt oder -gesetzt. (Sitzblockaden waren im Wortsinn unumgänglich. Man braucht sie gar nicht zum Kunstwerk erklären.) Aber wenn sich die Nazis nicht mehr bei Lichte zeigen: Sie sind keine Geistererscheinung, sie kommen nicht aus dem Nichts. Überall ein halbgewalktes Bewusstsein, das die Dinge verklärt und die Taten bemäntelt. Die Mythologie der Medien. Bedürftige Banken, demokratische Kriege! Man muss die Worte freisetzen, abklopfen, waschen wie einmal die Trümmersteine. Wenn einer heute von Freiheit spricht, der morgen gewählt wird, dürfen ihn elfe fragen: Meinst du die Freiheit, die sich der Einzelne nimmt? Wir meinen die Freiheit, die Gerechtigkeit schafft. Ich will den Kampf nicht schlichten; die Kunst verwirklicht Freiheit in sich, die größte vielleicht, und es ist meine eigne: aber mit allem Leben verbunden, dem möglichen Dasein. So genau muss sie sein und kühn, ungewohnt und wahr, um uns im Wesen zu treffen. Das denke ich, wenn ich Dresden danke.
Sächsische Zeitung vom 19.03.2012

Volker Braun: Die Dresdner Denkart - Eine Rede zum 800-jährigen Stadtjubiläum, Zeit Online

Werke (Auswahl)



Auszeichnungen (Auswahl)


1964: Erich-Weinert-Medaille
1971: Heinrich-Heine-Preis des Ministeriums für Kultur der DDR
1980: Heinrich-Mann-Preis der Akademie der Künste, Berlin
1986: Literaturpreis der Freien Hansestadt Bremen
1988: Nationalpreis 1. Klasse
2000: Georg-Büchner-Preis
2012: "Chevalier" im "l’ordre des Arts et des Lettres" des Französischen Kulturministers
2012: Kunstpreis der Stadt Dresden.

Quellen


Wikipedia
Suhrkamp Verlag
literaturport.de

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